Ende Oktober wird die Flüchtlingsunterkunft am Rohrbacher Bahnhof an die Regierung von Oberbayern übergeben. Allen beteiligten Stellen ist es wichtig, die Bürger umfassend zu informieren. So können sich die Bürger an einem Tag der offenen Tür am 30. Oktober (Anm. d. Redaktion: 16 – 18 Uhr) ein eigenes Bild der Containersiedlung machen. Außerdem haben wir uns mit Nicolas Graf (Regierung von Oberbayern, Sachgebiet 14.1 – Flüchtlingsunterbringung, Arbeitsgebietsleitung Gemeinschaftsunterkünfte Region Oberbayern Nord und München) und Rohrbachs 1. Bürgermeister Christian Keck zum Thema unterhalten.

bürgerinfo: Die Flüchtlingsunterkunft in Rohrbach wird Ende Oktober an die Regierung von Oberbayern übergeben. Was sind die nächsten Schritte?

Nicolas Graf: Nach der erfolgreichen Übergabe werden von der Regierung von Oberbayern als Betreiberin der Gemeinschaftsunterkunft noch die letzten Abschlussarbeiten durchgeführt. Dazu zählt u.a. die Lieferung von Bettwäsche, Geschirr, Töpfen, Pfannen und Putzmitteln zur Ausgabe als Erstausstattung an die künftigen Bewohner. Zusätzlich wird das Büro der Unterkunftsverwaltung fertig eingerichtet. Die ersten Einzüge können erfolgen, sobald alle für den Betrieb erforderlichen Gegenstände vorhanden sind und die Verwaltungsleitung und ein Hausmeister, die sich um die Belange der Bewohner und den unmittelbaren Betrieb der Unterkunft kümmern werden, vor Ort ihre Arbeit aufgenommen haben.

bürgerinfo: Wann kann mit der Unterbringung von Flüchtlingen gerechnet werden?

Nicolas Graf: Ein zeitnaher Belegungsbeginn wird angestrebt. Nach Abschluss der für die Belegung notwenigen Restarbeiten wird die Unterkunft den Betrieb aufnehmen. Ab diesem Zeitpunkt können dann von der Regierungsaufnahmestelle, die für die Verteilung von Asylbewerbern zuständig ist, die Bewohner zugewiesen werden.

bürgerinfo: Können Sie sagen, woher die Flüchtlinge kommen werden?

Nicolas Graf: Die Personalien der künftigen Bewohner stehen noch nicht fest. Die Festlegung erfolgt sinnvollerweise erst zeitnah vor dem Belegungsbeginn. Allgemein hängt die Herkunft der künftigen Bewohner stark vom aktuellen Zugangsgeschehen ab. Die meisten neuen Asylbewerber kommen derzeit aus Afghanistan und der Türkei.

bürgerinfo: Werden es Familien oder alleinstehende Personen sein?

Nicolas Graf: Es werden vorerst nur männliche Asylbewerber einziehen.

bürgerinfo: Wie funktioniert die Verteilung im Landkreis?
Christian Keck: Die bundesweite Verteilung richtet sich nach dem sog. Königsteiner Schlüssel. In Bayern soll wiederum jeder Landkreis proportional zur jeweiligen Einwohnerzahl Flüchtlinge aufnehmen. Ebenso verhält es sich mit den Gemeinden.

bürgerinfo: Rechnen Sie damit, dass die Flüchtlingsunterkunft in Rohrbach voll belegt sein wird?

Nicolas Graf: Es ist aufgrund des derzeitigen Zugangsgeschehens davon auszugehen, dass die in Rohrbach neu entstandenen Unterkunftsplätze zeitnah alle belegt werden. Wegen der natürlichen Fluktuation der Bewohner und unvermeidbaren kurzfristigen Leerstands (z.B. wegen notwendiger kleinerer Reinigungs- oder Renovierungsarbeiten nach Umzügen) wird in der Praxis später bereits ab einer rechnerischen Auslastung von 80 Prozent allgemein von einer Vollbelegung ausgegangen.

bürgerinfo: Wie lange verbleiben Flüchtlinge durchschnittlich in Flüchtlingsunterkünften?

Nicolas Graf: Der Zeitraum kann erfahrungsgemäß wenige Monate, aber auch mehrere Jahre betragen. Eine genaue Aussage zur Verweildauer kann nicht getroffen werden, da diese stark vom jeweiligen Einzelfall und insbesondere dem Ausgang des ergebnisoffenen Asylverfahrens beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge abhängt. Bewohner, die ein Bleiberecht erhalten haben, müssen die Unterkunft verlassen und eigenständigen Wohnraum beziehen. Bis sie eine eigene Wohnung gefunden haben, werden sie zur Vermeidung einer konkreten Notsituation in den Asylunterkünften weiter geduldet.

bürgerinfo: Wie geht es für die Flüchtlinge aus Rohrbach weiter?

Nicolas Graf: Nach ihrer Zuweisung und Ankunft in der Gemeinschaftsunterkunft werden sich die Bewohner dort zunächst häuslich einrichten und vor Ort orientieren. Durch die Verwaltungsleitung steht eine Ansprechperson vor Ort zu Verfügung, um den Bewohnern beim Einleben in der Unterkunft mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Daneben ist die Unterkunft an die Flüchtlings- und Integrationsberatung angebunden, die Integrationsunterstützung anbietet und im Einzelfall auch weitergehende Hilfen vermitteln kann. Der weitere Weg ist ansonsten stark vom Ausgang des individuellen Asylverfahrens abhängig.

bürgerinfo: Wer übernimmt die Versorgung der Flüchtlinge?

Nicolas Graf: Die Bewohner erhalten Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und versorgen sich grundsätzlich selbstständig. Sie können eigenständig einkaufen und in den eingerichteten Gemeinschaftsküchen in der Unterkunft selbst kochen. Auch das Waschen der Wäsche und das Sauberhalten der Unterkunft erfolgt durch die Bewohner selbst. Hilfestellung für den Alltag können sie bei Bedarf durch die Flüchtlings- und Integrationsberatung oder Verwaltungsleitung erhalten.

bürgerinfo: Ist Integration ein Ziel? Was wird getan, um die Flüchtlinge in Rohrbach zu integrieren?
Nicolas Graf: Alle Bewohnerinnen und Bewohner haben Zugang zu den Beratungs- und Unterstützungsmöglichkeiten über die vom Freistaat Bayern finanziell geförderte Flüchtlings- und Integrationsberatung. Je nach Stand des Asylverfahrens ist außerdem eine Teilnahme an Integrationskursen möglich oder sogar verpflichtend.

Christian Keck: Abhängig von der Zahl, Verfassung und Nationalität der Asylsuchenden werden wir gemeindeseitig versuchen, gemeinnützige Arbeitsgelegenheiten anzubieten. Dies ist im Übrigen für jegliche gemeinnützige Organisation möglich, sei es der Fußballverein, die Kirche usw. Wir begrüßen zudem jegliche Initiative zur Unterstützung der Neuankömmlinge. Kommen Sie hierzu gerne auf mich persönlich zu.

bürgerinfo: Wie können die Flüchtlinge in Rohrbach mobil sein?
Christian Keck: Der ÖPNV kann über den Kauf z.B. des 49-€-Tickets über die Bezahlkarte genutzt werden. In Rohrbach selbst sind Supermärkte, die Apotheke und sonstige Einrichtungen gut fußläufig erreichbar. Zudem wird die Gemeinde Fundräder bereitstellen.

Nicolas Graf: Wir freuen uns über ehrenamtliche Unterstützung von Privatpersonen oder Ehrenamtsorganisationen. Bitte nehmen Sie Kontakt mit der örtlichen Verwaltungsleitung auf, um zu besprechen, welche Unterstützung benötigt wird. Erfahrungsgemäß sind insbesondere Fahrräder für die persönliche Mobilität im Nahbereich hilfreich.

bürgerinfo: Können Rohrbacher helfen?
Christian Keck:
Ja, sowohl mit integrativen Angeboten, sei es das gemeinschaftliche Fußballtraining oder die oben schon genannte Bereitstellung von Fahrrädern, o.ä.. Wir werden auch direkten Kontakt mit den Bewohnern suchen; daraus ergeben sich dann sicher weitere Möglichkeiten zur Unterstützung. Wichtigste Hilfe wäre sicher eine unvoreingenommene, tolerante und offene Grundhaltung gegenüber diesen Menschen. Dies beruht natürlich auf Gegenseitigkeit.

bürgerinfo: Warum wurde der Standort am Bahnhof gewählt?
Christian Keck: Vonseiten des Landratsamtes wurde eine idealerweise befestigte Fläche gesucht, von der aus die üblichen Geschäfte des persönlichen Bedarfs fußläufig erreichbar sind. Abgelegene Flächen wie z.B. das Spina-Gelände, Sportplätze, etc. schieden nach Beratung im Bauausschuss aus; private Gewerbeflächen wurden zwar angefragt, jedoch war der Rücklauf negativ. So verblieb das Gelände an der Ladehofstraße, das durch seine übersichtliche, zentrale Lage, einen vorhandenen Wasser-, Kanal- sowie Stromanschluss sowie umlaufende Beleuchtung gute Voraussetzungen für die temporäre Unterkunft mitbringt. Der Standort ist auch ein bewusstes Signal an seine zukünftigen Bewohner: „Wir holen euch in unsere Mitte, nicht an den Rand – verhaltet euch also bitte entsprechend.“

bürgerinfo: Ihr persönlicher Appell an die Rohrbacher?
Christian Keck: Bei allem Verständnis für die etwaigen Sorgen bzgl. der Asylbewerberunterkunft: Misstrauen ist selten eine gute Basis für ein gutes Zusammenleben. Lassen Sie uns daher offen für die Menschen sein, die ihre Heimatländer verlassen haben und zu uns kommen. Wir können niemanden zur Integration zwingen, aber wir können ein gutes, menschliches Angebot zum Zusammenleben für die Asylbewerber machen. Viele werden dieses Angebot als Chance verstehen und bei entsprechender Bleibeperspektive nutzen. Und für die restlichen Menschen ohne Bleibeperspektive und Integrationswille müssen Bund und Länder die vorhandenen rechtlichen Spielräume nutzen bzw. Mittel und Wege finden, diese zurückzuführen.