Die Energiewende erfordert einen grundlegenden Wandel der Energiesysteme und betrifft uns alle, die Gemeinde Rohrbach wie auch ihre Bürger. Rohrbach macht sich mit dem Landkreis auf den Weg zur Energiewende und hat im Dezember 2023 eine Kooperation mit dem Kommunalunternehmen Energie und Infrastruktur (KEI) sowie der Bürger-Energie-Genossenschaft im Landkreis Pfaffenhofen (BEG) geschlossen. Somit haben sowohl die Gemeinde als auch Privatpersonen oder Unternehmen, die in Rohrbach Projekte im Bereich erneuerbare Energien umsetzen wollen, Unterstützung an der Hand. In der Gemeinderatssitzung am 13. Dezember 2023 wurde die Kooperation vorgestellt, um die Bürger von Anfang an mitzunehmen. Wir haben uns mit Arthur Kraus (Vorstand des KEI) und Andreas Herschmann (Vorstandsvorsitzender der BEG) über die Kooperation unterhalten.
bürgerinfo: Was beinhaltet die Kooperation?
Arthur Kraus: Ziel ist ein regionaler Wertschöpfungskreislauf. Idealerweise nehmen die Gemeinden das Thema Energie zunehmend selbst in die Hand und produzieren ihren eigenen Strom und Wärme, mit Hilfe von Wind, Sonne und Geothermie. Hierfür müssen entsprechende Anlagen gebaut werden. Eine Mammut-Aufgabe für die Kommunen. Daher wurde KEI als Landkreis-Unternehmen im August 2023 gegründet, um die Kommunen im Landkreis Pfaffenhofen bei der Umsetzung gezielt zu unterstützen.
Andreas Herschmann: Es geht darum, eine zukunftssichere, unabhängige und günstige Energieversorgung für die Bürger aufzubauen. Die Wertschöpfung vor Ort zu behalten, heißt für uns, die Bürger mitbestimmen zu lassen und an den Gewinnen zu beteiligen. Jetzt ist der einmalige Zeitpunkt, sich bei der Energieversorgung unabhängig zu machen, eben wenn uns Anlagen selbst gehören. KEI und BEG unterstützen zum einen mit Know-how und Fachwissen, zum anderen steigen wir auch bei der Finanzierung ein und sorgen so nicht nur für eine saubere, sondern auch für eine Energieversorgung in Bürgerhand.
Arthur Kraus: Die Energieversorgung gehört grundsätzlich zum Aufgabenbereich der Gemeinden, wie z.B. auch die Wasserversorgung, ist jedoch den Markt-Regularien unterworfen. Wir möchten zusammen mit den Gemeinden funktionierende Systeme schaffen, um die Energiegewinnung und -versorgung zu demokratisieren und somit gesellschaftlichen Mehrwert zu erzeugen. Großprojekte wie ein Windrad sollten nach unserem Dafürhalten in kommunaler Hand sein. Schließlich macht den Profit der Investor.
bürgerinfo: Welche Leistungen soll die Gemeinde Rohrbach erbringen?
Arthur Kraus: Die Initiative für Projekte wie Windrad, PV-Park & Co. kommt idealerweise von der Gemeinde und ihren Bürgern. Die Gemeinde hat die bündelnde Aufgabe, die Bürger mitzunehmen, zu informieren und Akzeptanz zu schaffen.
bürgerinfo: Wie könnte ein Finanzierungsmodell aussehen?
Andreas Herschmann: Denkbar wäre beispielsweise, die Kosten für den Bau eines Windrades oder eines Solarparks zu je einem Drittel auf die Gemeinde, KEI und BEG aufzuteilen. Als Genossenschaft organisieren wir die direkte Bürgerbeteiligung und sammeln Bürgergelder über Darlehen unserer Mitglieder, welche wir entsprechend verzinsen. Damit erhalten die beteiligten Bürger eine vorher klar kommunizierte Vergütung für Ihre Darlehen an die Genossenschaft; mit ihren Mitgliedsanteilen werden die Mitglieder schlussendlich auch noch am Gewinn über alle Projekte beteiligt.
Andere Aufteilungen sind ebenso möglich. Die Bürgerbeteiligung ließe sich auch auf den Gemeindebereich begrenzen. Großer Vorteil ist: Das erwirtschaftete Geld fließt zu 100 Prozent an die Bürger zurück.
bürgerinfo: Warum sollte die Gemeinde Rohrbach ihren eigenen Strom produzieren?
Andreas Herschmann: Um sich bei der Energieversorgung unabhängig zu machen. Warum sollen wir Kernenergie aus Frankreich beziehen, wenn wir langfristig günstigere Energie selbst erzeugen können? In den letzten Jahren sind rund 130 Millionen Euro im Jahr an Wertschöpfung nur durch teure Energieimporte aus dem Landkreis Pfaffenhofen ins Ausland abgeflossen.
Der Weg ist beschritten und unumkehrbar; es wird kein Kohlekraftwerk mehr gebaut werden. Sich jetzt nicht an erneuerbaren Energien zu beteiligen, halte ich für unklug. Wir haben Zugriff auf saubere Energie und müssen sie nur erschließen. Und: Sonne und Wind schicken keine Rechnung.
Arthur Kraus: Wir sollten schrittweise unsere Unabhängigkeit erkämpfen. Je mehr Anlagen wir von uns und für uns erzeugen lassen, umso mehr kommen wir aus der Abhängigkeit heraus. Wer seinen Strom selbst produziert, kann die Konditionen mitgestalten. Günstige Energie wird in Zukunft nicht zuletzt ein wichtiger Standortfaktor für Gewerbeansiedlungen sein und zur Sicherung des sozialen Friedens beitragen.
bürgerinfo: Welche Ausgangslage hat Rohrbach?
Arthur Kraus: Die Beste. Die Gemeinde Rohrbach ist landschaftlich prädestiniert für die Energiegewinnung aus Wind, Sonne und Geothermie. Das Potential für Windenergie ist groß; es gibt ausgewiesene Vorrangflächen für Windenergieanlagen (WEAs). Auch Niedertemperaturwärme ließe sich „oberflächennah“ – Stichwort: mitteltiefe Geothermie – erschließen.
Andreas Herschmann: Rohrbach und der gesamte Landkreis können es schaffen, Energie nicht mehr importieren zu müssen. Mindestens eine Milliarde Euro müssten in die Hand genommen werden. Wenn wir alle an einem Strang ziehen und auch die Bürger sich beteiligen, kann uns das langfristig gelingen.
bürgerinfo: Gibt es weitere Gemeinden, die eine derartige Kooperation haben?
Arthur Kraus: Ja, gibt es, aber Rohrbach gehört zu den Ersten. Alle Gemeinden im Landkreis sind aufgerufen, unsere Unterstützung in Anspruch zu nehmen.
Andreas Herschmann: Es handelt sich übrigens um keinen Vertrag, sondern um eine Absichtserklärung. Es geht vielmehr darum, ein Zeichen zu setzen. Wir brauchen die Akzeptanz für die erneuerbaren Energien und den Mehrwert für die Bevölkerung, das ist das A und O.
bürgerinfo: Sollte Rohrbach nicht ein eigenes Energie-Unternehmen gründen, wie im Gemeinderat angemerkt wurde?
Andreas Herschmann: Das kann parallel passieren. Wir haben keinen Konkurrenzgedanken, im Vordergrund steht das Miteinander. Nur wenn alle an einem Strang ziehen, schaffen wir die Energiewende. Die Frage ist, wie sinnvoll es ist, Kompetenzen selbst aufzubauen. Und ob die Kapazitäten hierfür vorhanden sind. Die Kompetenzen von KEI, BEG und der Kommunen ergänzen sich perfekt. Es war ein logischer Schritt, diese Kompetenzen zu bündeln. Wir sehen es als notwendig an, solche Kooperationen einzugehen, um sichtbar zu werden.
bürgerinfo: Thema Windkraft: Ein großer Hemmschuh ist ja aktuell die Bundeswehr. Auch in Rohrbach dürfen aktuell nur – unwirtschaftliche – Windräder mit einer Höhe von ca. 100 m gebaut werden. Warum sollten Kommunen trotzdem auf Windkraft bauen?
Andreas Herschmann: Ein Windrad ist nicht von heute auf morgen geplant und umgesetzt. Wir gehen davon aus, dass die Bundesregierung dafür eine Lösung finden wird, denn erneuerbare Energien liegen seit 2022 im überragenden öffentlichen Interesse. Im Zuge dessen klappen die Prozesse schneller. Kommunen müssen sich jetzt vorbereiten, Flächen sichern und in die Planung gehen. Wir haben nicht unbegrenzt Zeit, sondern müssen jetzt handeln.
Arthur Kraus: An dieser Stelle der Aufruf an alle: Öffnen Sie sich dem Thema, suchen Sie zum Wohle aller nach geeigneten Flächen und sichern diese. Wenn Sie nicht wissen, wie, nehmen Sie gerne Kontakt mit der Gemeinde, Herrn Herschmann oder mir auf. Es geht um nicht weniger als die Energie von morgen von uns für uns zu erschließen!
bürgerinfo: Herr Kraus, Herr Herschmann, vielen Dank für das informative Gespräch.
Christian Keck zum Beschluss:
„Ich stehe voll und ganz hinter dem Beschluss. Die Energiewende ist ein eminent wichtiges Thema. Dank der kommunalen Familie aus Gemeinde, KEI und den Landkreisbürgern, vertreten in der BEG, können wir Projekte zur Erzeugung erneuerbarer Energien gemeinsam realisieren und demokratisieren. Rohrbach kann energiesouverän werden, wenn wir alle geschlossen und partnerschaftlich zusammenarbeiten. Rohrbach nimmt das ernst!“
Über das KEI:
„Energie von uns – für uns“
Das Kommunalunternehmen Energie und Infrastruktur (KEI) mit seinem Vorstand Arthur Kraus wurde im Frühjahr 2023 gegründet. Es hat den Auftrag, kommunale Energie- und Infrastrukturprojekte anzustoßen, zu fördern, sich finanziell zu beteiligen und so die Energiewende auf Landkreisebene zu beschleunigen.
Kontakt:
arthur.kraus@kei-pfaffenhofen.de
0151 28940350
Über die BEG:
Mit ihrer Genossenschaft möchte die BEG bürgerschaftliches Engagement, klimafreundliche Energieerzeugung und wirtschaftlichen Erfolg untrennbar miteinander verbinden. Die BEG initiiert und finanziert deshalb Projekte zur Erzeugung, Speicherung und Verteilung erneuerbarer Energien im Landkreis Pfaffenhofen a.d.Ilm. Reine Gewinnmaximierung steht dabei nicht im Vordergrund.
Kontakt:
08441 40858-50